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Anonym
Lagernder Bettler · Kolorierte Kreidezeichnung · Akademie der bildenden Künste Wien, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr.10.379.

Eine Welt der Unzugehörigkeit, einen Ort der Fremdheit und des Mangels stellt die Stadt für das mittellose Volk dar. Bindungslos umherziehend, ausgesetzt, mittellos, blind, taub und von Geschwüren zerfressen – die Zukunft kommt in ihren Sätzen nie vor: »Wenn ihr begreifen wollt, was ich euch zu sagen habe, so müßt ihr wissen, daß ich mein Haupt mit einer weißen Kapuze verhüllt habe und eine Rassel aus hartem Holz schüttle. Ich weiß nicht mehr, was mein Gesicht ist, aber ich habe Angst vor meinen Händen. Sie laufen vor mir her, wie schuppige fahle Tiere. Ich möchte sie abschneiden. Ich empfinde Scham, wenn sie etwas berühren. Mir ist, als würden sie die roten Früchte, die ich pflücke, zum Absterben bringen, und die armen Wurzeln, die ich ausreiße, scheinen unter ihrem Zugriff zu welken.« Marcel Schwob · Gabe an die Unterwelt.
Die Quellen sprechen vom nackten Armen, der mit Lumpen oder einem schäbigen Schaffell bekleidet ist und auf Stroh sich bettet; die Maler stellen auf ihren Gemälden den Bettler-Figuren den Hund zum Troste an die Seite und stützen den abgezehrten Körper mit einem Stock oder Krücken – die zum Almosen aus­gestreckte Hand zittert in der Luft. Der anstößige Körper, nahezu unbekleidet und nackt, quert Straßen und Wege, Felder und Wälder, »ohne Mond und ohne Kerzenstrahlen gilt es den Ort zu finden, wo man die Dulder eines schlimmen Weges aufnimmt« Charles Baudelaire ∙ Unwiederbringlichkeit.
Zu den Bettlern und Vagabunden gesellen sich die wegen krimineller Delikte Ausgeschlossenen, die Diebe, Mörder und Verbannten. Solche Scharen standen zu allen Zeiten der etablierten Ordnung gegenüber. Aus den jeweiligen wirtschaftlichen, sozialen und moralischen Gesellschaftbedingungen entspringt die Armen-Terminologie. Ein Armeninstrumentarium zur Bezeichnung der Arten von Armut und der Kategorien von Armen wird in der Stadt Wien Ende des 17. Jahrhunderts entworfen und in modifizierter Form bis ins 19. Jahrhundert gehandhabt.